Der Architekt Carl Auböck
über den Designer Martin Krammer
Auf den Grund gehen Die Jahrtausendwende brachte ein Element in die Welt des Designs, das bisher - wie ich glaube - wenig Beachtung fand. Die intensive Beschäftigung mit dem Immateriellen, dem "Nichts". Da wir wissen, dass es in der Welt das "Nichts" eigentlich nicht gibt, nicht geben kann, ist das Postulat des Minimalismus oder besser und präziser des Reduktionismus besonders bedeutsam und wichtig geworden. Es ist der intensive Versuch, die Wesentlichkeiten der Dinge herauszuarbeiten und alles Beiwerk der Moden und üblicher Ablesbarkeiten zu umgehen. Es mag der spirituelle Ansatz der frühen Moderne sein, der in unserer Zeit entsprechend entkleidet von naivem Reformwirken, aber angereichert mit intellektueller und literarischer Qualität in der Arbeit junger Designer neue Formen findet. Auf die Frage an Martin Krammer: "Was ist Licht?", antwortet dieser paradox - "nichts Materielles". Nun sehe ich eigentlich gerade in der Auffassung seiner Entwurfslösungen das Licht als grundlegendes Leitelement, das hier aktiv - als Leuchte, dort passiv - als Schattenform (Stühle) Einsatz findet. Krammers Großvater, ein Erfinder, arbeitete vorwiegend mit "Luft", also auch etwas "Immateriellem" und erwarb eine Reihe von Patenten für die technische Leitung und Steuerung der Kraft dieses "Nichts". Krammer spricht selbst vom Wunsch nach lustbetonter Intelligenz in seiner Arbeit, ein symphatischer Ansatz, erweist er sich auch hier als Grenzgänger zwischen festgefahrenen Ästhetik-Hedonismus-High Tech-Welten. Nichts wird gesucht, Idee, Form und Material "kommen von selbst", entsprechend den Anlässen, den Aufträgen. Die Erfindung bildet den Zentralpunkt, das Neudenken und alchemistische Ausloten von Möglichkeiten. Dabei spielt die Assoziation das Kommunikationsfutter zwischen Entwerfer, Material und Funktion. In der Herausforderung der Naturgesetze, der Gesetze der Konstruktion und Provokation angelernter Vorstellungen des Kunden, des Benutzers von Gerätschaften liegt die Chance und Qualität dieses Designers. Die skulpturale Anwesenheit des Gegenstandes und das Zwiegespräch Objekt - Benutzer spielen zusammen mit dem poetischen Zugang des formalen Lösungsansatzes. So wird die "Dienstleistung" des Gebrauchsgegenstandes offensichtlich gemacht, die Wege der Energie und deren Schalteinheiten Teil der Gesamterscheinung (Lampen), die Spannungslinien des Materials statisch und antropomorph nachvollziehbar (Stühle). Im aufgeregten Wirbel der binären Realität der virtuellen Entwicklung unserer Bildwelten baut Krammer eine eigene, auf den Charakter der Wesentlichkeit des Gegenstandes aufgebaute Formenwelt, die beispielgebend ist für den Wandlungsbedarf rasch überlebter und hinfälliger Formen und Produktwelten um die Jahrtausendwende. Sieht man Arbeiten wie die Krammers, scheint die Zeit der letzten Jahre, die Zeit des Jammerns um die österreichische Designerszene und -Politik der bürokratischen Selbstzerfleischung der Berufsvertretungsvereine ad absurdum geführt. Die Tätigkeit des Designers muss auf seiner Eigeninitiative aufgebaut sein, Designgesetze und Gebührenordnungen sind kein Parameter für die Qualität des Kulturbeitrags, den das Erfinden von (horribile dictu!) Gebrauchsgegenständen ausmacht. Man wird österreichischen Industrien und Betrieben auch in Zukunft nicht nahelegen können, sich des Designers zu bedienen, der schon längst aus dem internationalen Umfeld hereinragende Innovationsdruck nach intelligentem Design wird das schon automatisch tun. Umso hoffnungsvoller sieht dann die Sache für die österreichische Produktkultur aus, wenn engagierte Einzelmotoren wie Krammer ihre kreativen Potentiale und Visionen auf diesen Bereich unseres Lebens konzentrieren. (Aus dem Katalog "Kulturpreisträger des Landes Niederösterreich 1998", Seite 46 und folgende; Autor: Carl Auböck) |